Epilepsie ist kein Grund für Rückzug

Obwohl Epilepsie heute gut behandelbar ist, werden Betroffene nach wie vor häufig diskriminiert. Ein ganzheitliches Beratungs- und Behandlungsangebot ist daher immens wichtig. Das österreichweit einzigartige Projekt „Epilepsie im Zentrum (EIZ)“ setzt genau hier an und bezieht auch das Umfeld von Betroffenen in die Arbeit mit ein. Erfahrungen von steirischen Familien und Ärzt*innen bestätigen den Erfolg.

Seit Jänner 2019 wird über den Gesundheitsfonds Steiermark die Beratungsstelle „Epilepsie im Zentrum (EIZ)“ finanziert. Das österreichweit einzigartige Angebot richtet sich sowohl an Betroffene, als auch an deren Umfeld und Personen, die im beruflichen Kontext mit Epilepsie zu tun haben. 2022 wurden 331 Beratungen durchgeführt, eine Evaluierung bestätigt die hohe Qualität und auch den Bedarf.

60 Prozent der Menschen mit Epilepsie leiden an Depression

Elisabeth Pless, Geschäftsführerin von „Epilepsie im Zentrum“: „Auch wenn statistisch gesehen jeder von uns zehn bis 15 Menschen kennt, die an Epilepsie leiden, ist die Krankheit in der Öffentlichkeit sehr wenig präsent. Es herrschen viele Vorurteile – etwa, dass man Epilepsie an starken Zuckungen erkennt. Epilepsie zeigt sich aber sehr unterschiedlich, das kann auch ‚nur‘ sein, dass der Betroffene plötzlich nicht sieht oder der Blick eingefroren scheint“, so die Epilepsiefachberaterin.

„Epilepsie ist heute gut behandelbar, sie führt aber dennoch häufig zum Rückzug. Rund 60 Prozent der Betroffenen leiden an Depression, sie haben nach wie vor ein unterdurchschnittliches Bildungsniveau und haben schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt, obwohl sie in der Regel nicht an kognitiven Einschränkungen leiden. “

Ganzheitliche Behandlung von Epilepsie ist wichtig

Studien bestätigen, dass es ganzheitliche Behandlungsformen braucht, die zusätzlich zu den medizinischen und chirurgischen Behandlungsmöglichkeiten auch Sozialberatung, Psychotherapie, etc. umschließen. Mit dem Projekt „Epilepsie im Zentrum (EIZ)“ wird dem in der Steiermark Rechnung getragen.

Eine Erhebung in der fachlichen Umwelt ergab eine hohe Zufriedenheit mit der Beratungsstelle und dass von betreuenden Ärzt*innen den Patient*innen die Beratungsstelle für vertiefende Informationen insbesondere zu Themen wie Schule, Arbeit, Erste Hilfe, Führerschein, Sexualität, etc. empfohlen wird. Dazu Prim. Franz Stefan Höger von der Abteilung für Neurologie des LKH Graz II: „Insgesamt ist die Beratungsstelle ein österreichweit einmaliges, vorzeigbares und vorbildliches Angebot welches für uns nicht mehr wegzudenken ist. Wenn es diese Beratungsstelle nicht gäbe, würden wir sie uns wünschen.“

Auch das Umfeld in die Behandlung von Epilepsie miteinbeziehen

„Wir haben erst heuer im Sommer die Diagnose Epilepsie für unseren 10-jährigen Sohn erhalten“, erzählt die Grazerin Manuela Buchberger. „Ich habe dann im Internet von der Beratungsstelle erfahren und war gleich beim ersten Termin begeistert. Uns wurde ganz konkret erklärt, wie wir im Alltag mit der Krankheit umgehen sollen und die Infomaterialien sind auch sehr hilfreich. Es gibt auch Online-Elterntreffs und Vorträge, wo ich gerne dabei bin.“

„Extrem super ist, dass die Epilepsieberaterinnen auch die Schule miteinbeziehen. Der Workshop in der Klasse meines Sohnes kam sowohl bei den Kindern als auch bei den Lehrerinnen und Lehrern sehr gut an“, freut sich die Mutter.

Epilepsiefachberaterin Tanja Doritsch gibt Einblick in die Arbeit von „Epilepsie in Zentrum“ und die Workshops in den Schulen: „Die Beratungen laufen sehr individuell ab, viele Familien betreuen wir über Jahre. Es ist sehr wichtig, dass das Umfeld miteinbezogen wird, weshalb wir bei Kindern auch Gespräche in den Klassen führen. Thema ist dabei unter anderem, dass wir den Mitschülerinnen und Mitschülern Epilepsie altersgerecht erklären und sie auch auf den Ernstfall vorbereiten und Rollen verteilen. Das kann sein, dass drei Kinder im Falle eines Anfalls für das Informieren des Direktors zuständig sind, weitere drei holen Pölster und so weiter. Das macht es auch für die Lehrpersonen viel einfacher, weil sie sich dann voll auf das Kind bzw. seinen Epilepsie-Anfall konzentrieren können.“

Aufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit

Auch Aufklärungsarbeit in der breiten Öffentlichkeit ist eine wichtige Aufgabe der Beratungsstelle. Dazu gibt es Veranstaltungen an Schulen und in Gemeinden, Informationsblätter, Online-Kommunikationsmaßnahmen, Epilepsie Sprechtage in den steirischen Bezirken etc. „In Zukunft wollen wir Gruppensettings noch weiter forcieren, etwa für junge Mütter mit Epilepsie und für Jugendliche. In jeder Lebenssituation stellen sich andere Herausforderungen im Umgang mit Epilepsie und die Betroffenen können auch voneinander viel lernen. Auch ein modulares Schulungsprogramm, ähnlich dem bekannten Management-Disease-Programm bei Diabetes, ist geplant“, verweist Zentrumsleiterin Pless auf weitere geplante Maßnahmen.

Der Epilepsie-Aktionstag, welcher in Kooperation mit 6 Studierenden der FH-Joanneum am 25. Januar 2023 in Graz stattfand, diente als Startschuss für eine neugeründete Gruppe für Jugendliche und junge Erwachsene namens „Gfü-Gemeinsam füreinander“. Die Corona-Pandemie hat speziell bei dieser Zielgruppe Spuren hinterlassen. Sozialer Rückzug, Depressionen sind die Folge. Gfü bietet künftig Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit und ohne Epilepsie die Möglichkeit, sich monatlich zu treffen, auszutauschen und Aktivitäten gemeinsam zu unternehmen.

Zusätzlich wird derzeit an der Planung und Organisation einer modularen Epilepsie-Schulung gearbeitet, welche voraussichtlich im Herbst 2023 erstmals stattfinden wird.

Allgemeine Informationen über Epilepsie:

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die vielfältige Ursachen (Entzündungen, Blutungen, Tumore, Unfallbedingte Verletzungen, etc.) hat und auch ein sehr unterschiedliches Erscheinungsbild zeigt. Epilepsie ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen wird für die Steiermark zwischen 620 und 2.350 Fällen jährlich geschätzt – vor allem Kinder/Jugendliche und Erwachsene jenseits des 60. Lebensjahres erkranken neu.

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Tanja Doritsch und Elisabeth Pless unterstützen mit ihrer Beratungsstelle die Behandlung von Epilepsie.
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